Off Topic: Warum ich nicht gendere.

Gendern, also die Benutzung einer „geschlechtsneutralen“ Sprache, ist in allen Medien mittlerweile weit verbreitet. Da auch ich regelmäßig Newsletter verfasse, die sich zu ungefähr der Hälfte auch an weibliche Abonnenten richten, bin auch ich mit diesem Thema konfrontiert.

Zunächst ein Klarstellung: Ich bin in jeder Beziehung für eine Gleichstellung von Mann und Frau. Ich versuche sie zu (er)leben und sehe immer wieder, wo da meine Grenzen sind und ich versuche daran zu arbeiten um es zukünftig besser zu machen. Tatsächlich sind viele Dinge einfach im Kopf drin, fallen nicht weiter auf und erst wenn man aufmerksam wird, merkt man was man da für einen Mist herumträgt.

Ich bin mir also der Notwendigkeit, dass da einiges im argen liegt (und ganz sicherlich nicht nur bei mir!) und dringend besser werden muss durchaus bewusst. Ich verteidige also absolut nicht die Ungleichbehandlung, wenn ich gegen das Gendern argumentiere.

Warum überhaupt Gendern?

Wenn ich das nicht völlig missverstanden habe, dann geht es darum, dass Sprache das Denken bestimmt und man durch eine Veränderung der Sprache das Denken verändern will. Das ist auch eindeutig richtig (Als Beispiel hier ein ein Video über Farben und deren Wahrnehmung beinflusst von Sprache). Einmal indem man während der Phase der Umstellung Aufmerksamkeit für die Ungleichbehandlung erzeugt und zukünftig nachdem man sich an die neue Ausdrucksweise gewöhnt hat, das Denken (und dann auch Handeln) gleichberechtigter ist. Sicherlich ein ehrenhaftes Anliegen.

Aber ich werde aus tiefer Überzeugung nicht gendern. Wen’s interessiert hier meine Gründe:

Ideologische Manipulation von Sprache

Auch wenn ich, wie oben erwähnt, den Zweck, den das Gendern haben soll, vollkommen unterstütze, bin ich grundsätzlich dagegen, dass an einer historisch gewachsenen Sprache ganz bewusst manipuliert wird, damit ein Ziel erreicht wird, egal wie ehrenhaft es auch immer sein mag.

Man kann einwenden, dass die aktuelle Sprache auch manipuliert. Das ist aber eine Behauptung, zu der ich später noch zurückkomme. Aber selbst wenn es so wäre, dann ist das eben so. Eine natürlich gewachsene Sprache trägt die Spuren von unzähligen Jahrtausenden, vielen Weltanschauungen, Religionen, Sitten und Gebräuchen in sich und gerade diese Tiefe macht sie so wertvoll. Warum heißt es „die“ Sonne? Warum „der“ Mond?  Was hat „begreifen“ mit „greifen“ zu tun? etc. etc. etc. Jedes einzelne Wort hat eine lange, lange Geschichte hinter sich. (Geschichte und Schicht/schichten?). All diese Dinge formen und beeinflussen unser Denken seit Jahrtausenden. Das nennt man kulturelle Wurzeln. Trotzdem ist die Gesellschaft nicht stehen geblieben, sondern verändert sich andauernd.

Wortbedeutungen ändern sich: „Weib“ ist heute eher ein negativ besetzter Begriff, früher war er das, was man heute mit „Frau“ aussprechen würde, während „Frau“ früher eher das war, was man heute mit „Dame“ bezeichnen würde. Diese Veränderung ist meines Wissens im Mittelalter im Zuge des Minnegesangs entstanden, als man alle Weiber zu Frauen gemacht hatte, weil man sie in der Minne auf ein (oft unerreichbares) Podest erhob.

Trotzdem denkt man heutzutage beim Wort „Frau“ etwas ganz anderes, als man das beim Gleichen Wort im Mittelalter gemacht hat. Das Wort ist das Gleiche geblieben, der zugehörige gedankliche Inhalt hat sich gewandelt. Die gleichen Mechanismen existieren auch in der Grammatik. („Der Genitiv ist dem Dativ sein Tod“) oder in der Jugendsprache, bei der gnadenlos aus Hauptwörtern Adjektive gemacht werden .(„Du bist voll doktor.“)

Wer anfängt an diesem Erbe zu einem konkreten Zweck herum zu manipulieren, öffnet die Büchse der Pandorra. Demnächst kommen Rechts-, Links- , Oben- oder Untenradikale und wollen auch ein Teil des Kuchens manipulieren dürfen. Es braucht nur ganz wenige Schritte, dann hat man ein Ministerium für Neusprache, wie in Orwells 1984. Und das ist eine dermaßen entsetzliche, unausweichliche Unfreiheit im Denken, dass jeder davor die größtmögliche Angst haben sollte.

Gerade das ziellose Durcheinander der Jahrtausende gibt uns die Freiheit im Denken, die gerade die Deutsche Sprache bietet. Ich habe oft gehört, dass Anderssprachige, die Deutsch lernen von der Ausdruckskraft der Sprache begeistert sind. Dazu auch später mehr.

Allein diese Überlegungen reichen für mich schon völlig aus, das Gendern für eine äußerst gefährliche Entwicklung zu halten. Aber erfüllt es überhaupt seinen Zweck?

Hilft Gendern die Gleichberechtigung zu erreichen?

Das kann man ganz einfach herausfinden indem man sich mal Länder ansieht, indenen Sprachen gesprochen werden, bei der dieses Problem nicht auftritt. Bei der es also keine spezifischen Wörter für Student/Studentin oder Lehrer/Lehrerin gibt. Und bei der auch Hauptwörter keine geschlechtspezifischen Artikel haben (der/die/das) wie im Deutschen.

Z.B. Englisch: Wie steht es mit der Gleichberechtigung in England, USA, Australien, Kanada, Irland, Trinidad und Tobago, oder Südafrika aus? Alles englischsprachige Länder.

Also ich kann nicht den geringsten Unterschied erkennen. Ich war natürlich nicht in all diesen Ländern, trotzdem weiß ich von nichts, was auch nur ansatzweise darauf hin deutet, dass diese Länder durch ihre geschlechtsneutrale Sprache irgendeinen Vorsprung in Bezug auf die Gleichstellung von Mann und Frau hätten.

Ein Gegenbeispiel reicht nach den Gesetzen der Logik bereits um den postulierten Zusammenhang zu widerlegen.

Gendern bringt also gar nichts!

Gendern verarmt die Sprache

Wenn ich den Toxophilus für den Mittelalterkurs durcharbeite und studiere, dann bin ich zwar solange ich das tue ein Studierender. Deshalb bin ich aber noch lange kein Student.

Wenn ich einen Kurs im Bogenschießen abhalte, dann bin ich in diesem Augenblick vielleicht ein Lehrender, aber noch lange kein Lehrer.

Das Wort Student oder Lehrer zu ächten und stattdessen Studierender oder Lehrender zu sagen ist eindeutig ein Verlust an Differenzierung und sprachlicher Reichhaltigkeit. (Genau das, was man in Orwells 1984 erreichen will: Die Unmöglichkeit differenziert zu denken, weil man keine Wörter mehr dafür hat)

Unaussprechliche Alternativen, die im Schriftdeutsch vielleicht noch funktionieren aber in Gesprochener Sprache im besten Fall nach Schluckauf klingen und im schlimmsten Fall die Bedeutung komplett ändern, zeigen dass die angebotenen Lösungen hinten und vorne nicht funktionieren:

Schrift: „Wie LehrerInnen Unterricht gestalten ist vorbildlich.“
Sprache“ Wie Lehrer innen Unterricht gestalten ist vorbildlich.“ Man ist versucht zu fragen, ob das draußen anders ist.

Ich bin gegen jede Verarmung von Sprache. Das Gegenteil sollte das Ziel sein. Jede Verarmung der Sprache hat eine Verarmung des Denkens und damit der persönlichen Freiheit zur Folge.

Gendern ist ungerecht

Es wird ja argumentiert, dass (um beim Beispiel zu bleiben) die Verallgemeinerung immer die männliche Sprachform hat und dies die Gleichberechtigung beeinträchtigt, weil sich das weibliche Geschlecht nicht damit identifiziert. Lehrer sind also alles Männer. Studenten alles Männer. Frauen fühlen sich nicht angesprochen, wenn es darum geht den Lehrerberuf zu ergreifen.

Tatsache ist:

Wikipedia: Frauenanteil beim Lehrerberuf in Deutschland: Grundschule 87%, Gesamtschulen und Gymnasien 66%, Oberstufe 53% Frauenanteil bei Studenten: 2019/20 49,3%

USA: Von 815.760 einer Vollbeschäftigung entfallen 441.430 Vollzeitstellen auf männliche und 374.330 auf weibliche Lehrkräfte (Quelle)

Wie gesagt: Gendern ist völlig sinnlos.

 

Es mag ja sein, dass die sprachliche Form der Verallgemeinerung grammatisch identisch ist mit der männlichen Form. Aber warum soll das eine Diskriminierung des weiblichen Geschlechtes sein?

Ich mach da mal einen ganz anderen Vorschlag, wie man das sehen kann: „In der Vorlesung sitzen Studenten“ kann heißen: In der Vorlesung sitzen ausschließlich männliche Studenten oder es kann heißen, dass in der Vorlesung Studenten beliebigen Geschlechtes sitzen. Das ist doppeldeutig. Es gibt in der deutschen Sprache keine Ausdrucksform, die das Wort Student eindeutig auf männliche Studenten eingrenzt. Für das weibliche Geschlecht gibt es aber eine solche Form: „Studentin“. Ist das Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache? Und wer ist hier benachteiligt, Männlein oder Weiblein? Wohl eindeutig die Männer, denn ihnen bleibt eine Differenzierung vorenthalten, welche die Frauen genießen.

Welche Sichtweise hat jetzt die besseren Argumente? Welche ist plausibler?

Aber selbst wenn man zu dem Schluss kommt, dass die Argumentation der Gender-Befürworter stichhaltiger ist. Wie sieht es denn mit der Mehrzahl aus?

Der Lehrer – Die Lehrer
Der Student – Die Studenten
Das Schiff – Die Schiffe

Die Mehrzahl hat (im Nominativ) immer einen weiblichen Artikel.

Und nicht nur das: Schiffs- und Flugzeugnamen sind auch immer weiblich:

  • Die Prince of Wales
  • Die Titanic
  • Die Graf Zeppelin

Auch nicht gerecht, oder?

Meine ganze Argumentation wird immer absurder, weil das ganze Thema absurd ist. Das grammatische Geschlecht hat eben nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun und wie ich oben belegt habe, empfindet das auch niemand im statistischen relevanten Maße so. Das ist der Grundfehler der Gender-Befürworter, die das nicht verstehen. Sie haben aber auch Unrecht, weil Ihre eigene Argumentation willkürlich und nicht stichhaltig (und schon gar nicht zwingend) ist. Man kann mit gleicher Berechtigung auch genau anders herum argumentieren.

Gendern lenkt vom Thema ab

„Alle Menschen* und Frauschen sind von der Klimaerwärmung gleichermaßen betroffen.“

„Durch die Corona-Pandemie sind MieterInnen in größerer Gefahr Ihre Wohnung zu verlieren als HausbesitzerInnen.“

In beiden Beispielen geht es nicht um irgendeinen geschlechtsspezifischen Inhalt. Trotzdem wird durch das Gendern die Aufmerksamkeit vom Inhalt abgezogen und auf die Ungleichbehandlung der Geschlechter umgelenkt. Gerade im zweiten Beispiel geht es aber um die Ungleichheit zweier ganz andere Gruppen. Das ist nicht nur schlecht für’s eigentliche Thema um was es in dem Satz eigentlich geht. Es ist eine allgegenwärtige Dominanz, die alle anderen Themen droht ständig in den Hintergrund zu drängen.

Eigentlich sollte man sich immer so ausdrücken, dass solche Ablenkungen vermieden werden. Man soll beim Thema bleiben.

Mir persönlich gehen solche Texte dermaßen gegen den Strich, dass ich bereits nicht nur das Lesen einzelner Artikel abgebrochen habe, sondern auch Websites meide, bei denen ich weiß, dass mich zwar die Themen interessieren würden, aber die Ablenkung durch das Gendern so groß ist, dass vom eigentlichen Thema nur noch die Hälfte bei mir ankommt. Und das, obwohl ich den anvisierten Zweck durchaus begrüße. Das kann nicht das Ziel von Gendern sein.

Es ist wie die sprichwörtliche chinesische Folter: Der stete Tropfen macht das Lesen auf Dauer unerträglich.

(* Das Wort Mensch hat in seiner Herkunft das Wort Mann intus und ist daher von der Herkunft her ein übles frauenverachtendes Wort. Aber (fast?) niemand empfindet das heute so. Das wird im englischen noch deutlicher: „mankind“ = Menschheit)

Fazit

Nicht nur ist Gendern völlig sinnlos, da es keinerlei Zusammenhang zwischen gendergerechter Sprache und verwirklichter Gleichberechtigung gibt. Es ist auch unglaublich nervig, weil es völlig überflüssigerweise einen ständig immer wieder aus dem Lesefluss herausreißt und vom Thema ablenkt.

Vor allem ist es aber gefährlich, weil es wichtige Themen durch seine sprachliche Dominanz unterdrückt und die Sprache verarmt, weil es Wortdifferenzierungen verwischt.

Zu guter Letzt öffnet die bewusste Manipulation der Sprache und damit des Denkens ein Tor für weitere Sprachmanipulationen anderer vielleicht nicht so ehrenhafter Zeitgenossen, die ihre eigene Agenda verfolgen. Wenn Andere einem die Wörter und Begriffe vorgeben, die man denken kann, dann kann man auch nur noch das denken,  was diese Anderen vorgeben.

Ich werde mich daran nicht beteiligen und deshalb gendere ich in meinen Texten nicht. Frauen haben solche Manipulationen auch überhaupt nicht nötig – und nicht nur deshalb, weil es überhaupt nichts nutzt.