IMHO: Die Ebenen des Intuitiven Bogenschießens

In meinem ersten IMHO-Beitrag denke ich über einige Erlebnisse als Intuitiver Bogenschütze nach und wie ich sie interpretiere. Das Ganze ist natürlich eben nur meine bescheidene Meinung (IMHO: In My Humble Opinion) und bildet auch nur deren aktuellen Stand ab.

Ich werde von Schützen auf dem Bogenplatz immer wieder nach Tipps und Hilfe beim Intuitiven Schießen gefragt. Offensichtlich herrscht da eine große Unzufriedenheit oder zumindest Unsicherheit. Da ich selber, wenn ich mal einen guten Tag erwische, eigentlich ganz zufrieden bin, muss es etwas geben, was mich unterscheidet. Von daher denke ich, dass das Folgende vielleicht für den Ein oder Anderen interessant sein könnte. Auch für System-Schützen könnte etwas dabei sein, was einen neuen Blickwinkel eröffnet.

Wie man das Intuitive Bogenschießen erlernt und einübt, ist eine andere Sache, die hier nicht behandelt wird. Viele der im folgenden behandelten Dinge setzen einen einstudierten Schussvorgang voraus. Dazu gehört weit mehr als nur der reine Bewegungsablauf.

Zunächst möchte ich aber betonen, dass das vermutlich sowieso jeder anders wahrnimmt, was beim Bogenschießen passiert. Aber was man vielleicht auf jeden aus diesem Beitrag mitnehmen kann, ist, dass man sich selbst beim Schießen mehr beobachten sollte.

Das zeichnet das Intuitive Schießen sowieso aus, dass man selbst das Gefühl hat, beim Schießen eher ein Zuschauer und Beobachter als der aktive Schütze zu sein. Jedenfalls empfinde ich das so.

Aber das zeigt auch schon, dass es verschiedene Arten oder Grade des Intuitiven Schießens gibt. Viele machen auch einen Mix aus Zielen, Schätzen und „echtem“ Intuitiven Schießen. Sie sind also sehr wohl noch bewusst aktiv am Schieß- und Zielvorgang beteiligt. Das sind in meinen Augen jedoch alles Mischformen (die aber auch sehr gut funktionieren können). Deshalb versuche ich erstmal zu beschreiben, was für mich „reines“ Intuitives Schießen ist und wie ich versuche zu schießen:

Ein „reiner“ intuitiver Schütze, schießt den Pfeil dorthin wohin er zielt will.

Das war’s? Da steckt unglaublich viel drin! Aber vor allem: Es fehlt unglaublich viel.

Fangen wir mal damit an, was alles fehlt: Vor allem eines: Nicht nachdenken, analysieren, vorstellen oder planen. Ich habe auch bewusst nicht „wohin er zielt“ geschrieben.
Es gibt aber auch keine (bewusste) Körperkontrolle, keine bewusste Korrektur des Schusses.
Natürlich wird in keiner Phase des Schussablaufs auf den Pfeil geschaut oder über den Pfeil in irgendeiner Weise irgendetwas anvisiert.
Selbst das bewusste(!) Einschätzen der Situation (Windverhältnisse, Hanglagen, Lichtsituation, Entfernung) vermeide ich, wie der Teufel das Weihwasser.

Das ist schwer, extrem schwer den Kopf mal dazu zu bringen, die Klappe zu halten. Wenn ich nicht gerade in einen Flow komme, gelingt das höchstens bei jedem dritten, vierten Schuss. Aber dieser Schuss trifft fast immer.
Konkret: Ich bin mit dem Ergebnis nicht nur zufrieden, sondern davon überrascht. Auch ich kann natürlich beim Clout-Schießen auf 200m keiner Fliege das rechte Auge raus schießen, und auch nicht zuverlässig die Clout treffen. Man braucht schon persönlich real erreichbare Zielvorgaben, die sich mit der Zeit und viel Übung entsprechend anpassen*.

* Diese Vorgaben sehen bei mir persönlich konkret so aus, dass ich mir eine vertikale Ungenauigkeit von etwa einen Vollmonddurchmesser zugestehe (ca. 0,5°). Horizontal die Hälfte. Das gilt völlig unabhängig der konkreten Schwierigkeit des Schusses.
(Als ich angefangen habe, intuitiv mit Kriegsbogen (100lbs) zu schießen, war meine Zielvorgabe einen Kartoffelsack auf 10m zu treffen.)

Meine aktuelle Vorgabe entspricht damit auf 30m: Vertikal +- 13cm, Horizontal die Hälfte, also +- 7cm. Oder auf einer 80cm FITA-Scheibe: Vertikal grob mindestens ins Rote, Horizontal in etwa ins Gold. Wenn ich innerhalb dieses Ovals treffe, ist das für mich ein Volltreffer (quasi eine „10“) und ich bin sehr zufrieden. In der Nähe ist aber auch okay.

Ich bin natürlich bei weitem nicht bei jedem Schuss zufrieden, aber oft genug, dass es mich anspornt und nicht frustriert – und genau so sollte es auch sein.

Also: meiner Erfahrung nach ist es eindeutig so, dass je besser dieses Weglassen gelingt, umso besser schieße ich. Immer wieder erwische ich mich dabei, darüber nachzudenken, dass Seitenwind ist (es muss mir nur bewusst auffallen), oder dass der Schuss bergauf geht oder der erste Schuss war zu niedrig, also muss ich beim nächsten Schuss höher halten usw. Und mit schöner Regelmäßigkeit überkorrigiere ich in all diesen Fällen.

Beim Clout-Schießen, der Königsdisziplin des Intuitiven Schießens, mache ich immer wieder den Fehler den richtigen Winkel abschätzen zu wollen und genauso regelmäßig treffe ich dann nur mittelmäßig. Sobald ich aber so wie beim Targetschießen (also auf Scheiben) einfach nur das Ziel treffen will und überhaupt nicht mehr nachdenke, merkt man das wirklich messbar und reproduzierbar am Trefferbild.

Es ist auch kein Verharren kurz vor Lösen des Schusses nötig. Wer sieht, wie ich schieße, sieht dass das alles in einem Bewegungsablauf stattfindet. Es gibt kein Verharren und deshalb auch kein Zittern oder Schwanken. Zeitlupenaufnahmen zeigen aber, dass vom Augenblick kurz vorm Lösen bis zum Verlassen des Pfeiles vom Bogen (es geht hier um Sekundenbruchteile) der Bogen und beide Hände komplett ruhig sind. Mit bloßem Auge ist davon nichts zu sehen, weil: viel zu kurz.

Also: der „reine“ intuitive Schütze schaltet vom ersten Augenblick des Zielerfassens bis zum Lösen des Schusses komplett sein Bewusstsein aus.

Trotzdem muss ja irgendwas zielen, ballistische Kurven „berechnen“, Umwelteinflüsse abschätzen, die Muskulatur und den ganzen Schießvorgang extrem präzise kontrollieren und durchführen. Irgendwas, aber nicht ich! Ich vermassele das nur. Ich bin viel zu grobmotorisch, um solche feinen Nuancen bewusst kontrollieren zu können. Genau deshalb geht auch jede bewusste Korrektur bei mir in die Hose.

Dieser Beitrag soll übrigens eigentlich über dieses „Irgendwas“ gehen. Aber kommen wir vorher noch zu dem was im obigen zentralen Satz nicht fehlt, sondern drin steckt:

Wer sagt eigentlich, dass das Ziel ansehen und das Schießen gleichzeitig statt finden muss? (Das ist der Grund, warum ich oben von „wollen“ und nicht vom „zielen“ gesprochen habe) Beim Clout-Schießen sieht das im Extremfall so aus, dass man das Ziel ansieht, dann an eine andere Stelle geht, an der man das Ziel nicht mehr sehen kann und dann von dort aus schießt. Und das funktioniert beängstigend gut – jedenfalls, wenn das oben beschriebene Weglassen gelingt. Selbst beim normalen Clout-Schießen ist das Ziel nicht zu sehen, da man ja „in den Himmel“ schießt und der Bogenarm dabei das Ziel verdeckt. Auch da muss man das Ziel also immer zeitlich versetzt „anvisieren“.

Und es steckt natürlich auch drin, dass man den Bogen und den Pfeil nicht mehr als Werkzeug empfindet, sondern als Teil von sich selbst. Das empfinde ich emotional als der größte Unterschied beim Intuitiven Schießen im Vergleich zum System-Schießen. Sowohl das Körpergefühl als auch das Gefühl für den Bogen ist komplett anders. Etwas pathetisch ausgedrückt: Der Intuitive Schütze ist der Bogen, der Systemschütze benutzt den Bogen.

Das Ganze entwickelt sich natürlich langsam durch viel, viel Übung und Erfahrung – und viel Zeit. Und auch nach Jahren kann man, wenn man sehr genau zuschaut, was das „irgendwas“ beim Bogenschießen so alles macht, noch überrascht werden. So auch im letzten Herbst:

Kurze Anekdote:

Auf einem 3D-Parcour gab es ein Ziel. Ein Bison am Rand einer Wiese In der Mitte eines lang gezogenen Hanges. Der Schuss ging von der Straße aus nach oben. Ich habe wegen meiner Handverletzung nur meinen schwachen Langbogen (ca.56lbs) benutzt, was für eine entsprechend stark gekrümmte Flugkurve gesorgt hat. Für große Entfernungen ein echtes Handicap.

Wenn man genau hinsieht, kann man meinen dritten Schuss im Bison sehen (weißer Punkt). Auf dem Foto bin nicht ich zu sehen. Ich habe den Schützen aber im Bild gelassen um eine Vorstellung der Größenverhältnisse zu ermöglichen.

Der bewusste Eindruck war: Das Ziel ist richtig weit weg. 70m mindestens. Alle Beteiligten hatten große Schwierigkeiten überhaupt soweit zu kommen. Auch ich habe, trotz der vermuteten Entfernung 2 Pfeile zu kurz geschossen.

Wie immer überlasse ich beim Schießen – so gut ich es vermag – meiner Erfahrung und meiner Intuition den Schussablauf. Bei den ersten beiden Schüssen ging das aber völlig daneben – was in dieser Form ungewöhnlich war. Vor allem weil ich diesmal nicht einmal überkompensiert habe und nicht zu hoch geschossen habe. Der zweite Schuss war auch kein bißchen besser als der Erste.

Beim dritten Schuss geschah nun folgendes:
Der normale Bewegungsablauf beginnt wie immer, der Bogen wird gespannt und kommt in Schussposition, aber kurz vor dem Lösen reist es plötzlich meinen Bogenarm kräftig hoch und einen Augenblick später löst meine Hand den Schuss.

Der springende Punkt:
Ich hatte, trotz dieses anscheinend völlig verrissenen Schusses, sobald der Pfeil flog die absolute Sicherheit: Der passt!

Wie die Vergrößerung zeigt, ist der Pfeil exakt da gelandet, wo ich treffen wollte (optisch kaum zu unterscheiden, na vielleicht 5 bis 10cm höher). Allerdings habe ich nicht ins Kill gezielt, wie sich von nahem herausgestellt hat. Das läge weiter oben links. Nichts desto Trotz: Ein absolut perfekter Schuss unter diesen Bedingungen (für meine mangelhaften Anatomischen Kenntnisse ist sicherlich nicht mein Unterbewusstsein verantwortlich und ist bei Plastikfiguren eh irrelevant).

Übrigens: Dieser Bison stammt vom selben Hersteller/Künstler tier.art, wie das Mammut in Collenberg. Wirklich großartig.
Hier ziehe ich den Pfeil und man kann erkennen, dass ich nicht auf die richtige Stelle gezielt habe. Das Kill wäre auf Höhe meiner linken Schulter gewesen. Das mache ich oft falsch. Ich ziele meist auf die Mitte des Brustkorbs – nicht dahin wo das Herz sitzen würde. Ist mir aber egal. Ich übe nicht für den Ernstfall und ich zähle auch keine Ringe.

Was ist da passiert? Ein kurioser Glückstreffer? Vielleicht.

Übrigens: Laut AR-Messung mit meinem iPhone war der Bison lediglich 56m weit weg. Ich sag‘ mal: +/- 2 bis 3m müsste das eigentlich korrekt sein. Was die ersten beiden zu kurzen Schüsse noch erstaunlicher macht. (Alle Anwesenden waren sehr erstaunt über diesen Wert. Jeder hat den Bison deutlich weiter entfernt vermutet. Zweifel an der Messung sind vielleicht wirklich angebracht)

Dieses Erlebnis hat mich jedenfalls nicht losgelassen. Meine Erfahrung hat mich wohl bei diesem Ziel völlig im Stich gelassen. Obwohl meine bewusste Einschätzung der Entfernung viel zu groß war habe ich viel zu kurz geschossen. Da hat also gar nichts zusammen gepasst und meine Erfahrung hat mich in diesem Fall in die Irre geleitet.

Beim dritten Schuss ist wohl meinem Unterbewusstsein der Geduldsfaden gerissen und hat für den entscheidenden Augenblick komplett die Steuerung übernommen. Also genau das Gegenteil von dem, was unter Goldangst bekannt ist.

Das ist, ganz ehrlich, ganz schön unheimlich. Ich habe mich bei diesem Schuss wie eine Marionette gefühlt, an deren Fäden gezogen wird.

Aber es ist auch toll, wenn man durch solche Erlebnisse davon überzeugt wird, dass wir beide, also mein Unterbewusstsein und ich am gleichen Strang ziehen (oder präziser an der gleichen Sehne). Aber offensichtlich ist es wohl besser, wenn nicht ich bogenschieße, sondern dass meinem Unterbewusstsein überlasse (ich nenne es „Meinen inneren Robin“ 😉).

Dieses Erlebnis hat mich jedenfalls zu der Erkenntnis gebracht, dass es verschiedene Ebenen des Intuitiven Bogenschießens geben muss – nicht nur die eine, über die alle sprechen.

Die erste Ebene nenne ich „Erfahrungszielen“ oder „Erfahrungsschießen“. So wie man bei einem Auto die Gänge einlegt, so kann man nach vielen, vielen Schüssen in unterschiedlichen Situationen in den allermeisten Fällen korrekt schießen. Das funktioniert schon ziemlich gut. Diese Ebene ist auch wortwörtlich „intuitiv“, denn Intuition entsteht aus Erfahrung.

Aber offensichtlich gibt es noch eine weitere, tiefere Ebene, die komplett unterbewusst ist. Das irre ist, dass diese Ebene offensichtlich selbstständig und unabhängig eigene ballistische „Berechnungen“ vornimmt und im Idealfall sogar die Körperkontrolle übernimmt, wenn es zwischen den beiden Ebenen bei der „Berechnung“ zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt.

Diese Ebene des Schießens will ich daher „Unbewusstes Schießen“ nennen. Was ich als Steigerung des Intuitiven Schießens sehe.

Das finde ich sehr aufregend. Ich habe für mich folgende Lehren daraus gezogen:

  • Je unbewusster der Ziel- und Schussvorgang abläuft, umso präziser schießt man.
  • Es ist schon sehr schwierig, sich beim Schussablauf komplett auf seine Erfahrung zu verlassen und sich da nicht mehr mit seinem Kopf einzumischen.
  • Noch schwieriger ist es, seinem Unterbewusstsein den nötigen Platz frei zu machen und für den Schuss die komplette Kontrolle über Körper und Geist seinem inneren Robin zu überlassen.

Das bedeutet für mich, dass ich zukünftig noch mehr Wert auf den mentalen Teil des Bogenschießens legen werde. Ziel ist es (noch mehr als zuvor) „auf Knopfdruck“ für die Zeit des Schusses in einen Trance ähnlichen Zustand kommen zu können, so dass die unterschiedlichen Ebenen beim Bogenschießen frei sind zu tun, was sie für richtig halten. Ich selber will dann nur noch zuschauen und staunen.


Kleiner (und böser) Exkurs

Trotzdem ist das alles nichts Esoterisches. Bogenschießen ist und bleibt immer noch ein physikalischer Vorgang. Lediglich die extrem komplexe Abwägung der Schusssituation und die präzise Steuerung der Muskulatur und des Bewegungsablaufs wird nicht mehr bewusst, sondern unbewusst durchgeführt.

Dass das Unterbewusstsein das besser kann als das Bewusstsein ist auch nicht wirklich überraschend. Man braucht nur einmal bewusst zu versuchen, den dritten Gang seines Autos einzulegen und man versteht sofort, dass die unbewusste motorische Steuerung deutlich präziser funktioniert. (Ich selbst wüsste jetzt nicht einmal zu sagen, wo der Rückwärtsgang ist – aber das ist vielleicht auch eine andere Geschichte).

Auch die Aufmerksamkeit des Bewusstseins ist viel zu fokussiert, als das es in der Lage wäre, eine komplexe Situation in all ihren Facetten zu erfassen. Es können immer nur einzelne Elemente nacheinander isoliert erfasst werden. Schon gar keine gegenseitigen Abhängigkeiten.

Das ist ja auch der Grund, warum Schützen, die lieber zielen, nur unter den Laborbedingungen eines Bogenplatzes einen Vorteil haben. Sobald unter realen, viel komplexeren Bedingungen geschossen wird, nivellieren sich die Unterschiede und kehren sich nicht selten um.

Wenn man böse ist, könnte man sagen: Bogenschützen, die (bewusst) zielen, tun mehr oder weniger erfolgreich so, als wenn sie Bogenschießen könnten. In Wahrheit brauchen sie alle Laborbedingungen und versuchen sie mit allerlei zumeist faulen Tricks herzustellen.

Entweder bleiben sie gleich auf einem Bogenplatz und schießen nur dort, oder nutzen beispielsweise Ihr Vorwissen über die wahre Größe der unterschiedlichen Scheiben oder 3D-Tiere unterschiedlicher Hersteller in Kombination mit einer Winkelmessung der scheinbaren Größe um mit einer Tabelle (im Kopf) die Entfernung herauszufinden. Damit haben sie wieder ihre Laborbedingungen hergestellt und können zielen und im besten Fall treffen.

Dieses komplexe so-tun-als-ob-man-bogenschießen-könnte, kann man aber auch sportlich sehen. Das ist schon auch eine eigene Kunst und von daher sozusagen eine eigene Disziplin und damit dann auch wieder völlig in Ordnung.

Aus Sicht eines puristischen Bogenschützen ist das aber kein Bogenschießen, sondern Selbstbetrug. Zumindest dann, wenn man glaubt, der bessere Bogenschütze zu sein, weil man auf einem ebenen Bogenplatz auf 30m auf einer 80cm Scheibe mit drei Schuss einen Schnitt von 25 Ringen oder mehr schafft. (Auch wenn das durchaus eine respektable Leistung ist! Nur Bogenschießen ist weitaus mehr als dieser eine – oder andere – Spezialfall)


Tipps und Tricks

Neben dem mentalen Training und üben, üben, üben kann man aber trotzdem dem Unterbewusstsein bei der „Datenerfassung“ helfen. Dazu hier noch ein paar Tipps:

  • Eulenblick anwenden
    Das heißt: Das Ziel ansehen und dabei den Oberkörper von einer Seite zur anderen hin und her bewegen. (Stichwort: Parallaxe). Das hilft ungemein bei mittleren Entfernungen (also den üblichen Parcours Entfernungen). Bei größeren Entfernungen vergrößert man diese Bewegung indem man von einem Bein auf das andere „tanzt“. Beim Clout-Schießen gehe ich sogar ggf. hin und her und fixiere dabei das Ziel.
    (Dieser Vorgang ist nicht nur beim Clout-Schießen ein ganz wesentlicher Teil des Zielens. Danach kann man im Grunde die Augen schließen und schießen. Beim Schuss selbst muss man das Ziel eigentlich nicht mehr sehen – zumindest, was die vertikale Genauigkeit angeht)
  • Ort aufnehmen
    Vor dem Schuss alles sehen, hören, riechen, fühlen. Nicht nur das Ziel. Also mal seinen Blick und seine Ohren umherschweifen lassen. Es geht hier ums empfinden und eben genau nicht ums analysieren.
    Also alles aufnehmen ohne darüber nachzudenken und ohne bewusst die Situation zu erfassen oder gar zu bewerten. Man muss im Kopf leer bleiben. Also auf gar keinen Fall eine Strichliste abarbeiten! Wenn man aber mit dem Intuitiven Schießen anfängt, oder das Gefühl hat, dass man diesen Punkt bisher nicht genügend Beachtung geschenkt hat, kann man sicherlich durch ein bewusstes und absichtliches Wahrnehmen eine neue Routine aufbauen, die das Unterbewusstsein 100%ig schätzen lernt und übernehmen wird.
    Das Unterbewusstsein wird dann nach einiger Zeit schon alles Wesentliche selbstständig registrieren und muss nichts mehr bewusst machen. Man muss da „nur“ vertrauen. Es weiß selbst am besten, was man beachten muss, wohin man schauen muss.
    Ich vermute unter all diesen Dingen gehört unter anderem (und das kann man ja am Anfang mal bewusst machen):
    • Bäume/Wiese zu betrachten und lauschen (Wind in den Ästen und Blättern, wie fliegen die Insekten auf der Wiese, oder Blätter, Samen, wie die Vögel etc.)
    • den eigenen Körper zu spüren (Wind/Temperatur auf der Haut, eigene Erschöpfung, ggf. Schmerzen, etc.)
    • Das Gewicht des Pfeiles und die Spannkraft des Bogens wahrnehmen.
    • die Lichtverhältnisse beachten (Schattenwurf, Sonnenstand, Umgebungshelligkeit beim Schützen und dem Ziel und dazwischen)
    • und da muss noch mehr sein, denn da wo mein Bewusstsein keine brauchbaren Informationen mehr findet, ist das Unterbewusstsein in der Lage abartig gut Entfernungen oder den Wind richtig abzuschätzen.
  • Dem Pfeil beim Flug zusehen
    Das weiß fast jeder intuitive Bogenschütze. Aber auch das wieder ohne bewusste Analyse. Das würde wieder nur für eine (halb)bewusste viel zu grobe Überkorrektur beim nächsten Schuss führen.
  • Sich reelle Ziele setzen
    „Ziele“ hier im Sinne von zu erfüllenden Anforderungen an die Präzision der Schüsse. Das ist zwar ein bewusster Entschluss, aber die Hoffnung ist, dass das Unterbewusstsein das übernimmt. Wenn man selbst (oder auch nur sein Unterbewusstsein – das ist etwas völlig unabhängiges!!!) erwartet, dass man immer absolut exakt trifft, dann ist man (vielleicht auch nur unterbewusst) unzufrieden, verliert die Lust und schießt daneben (tut man ja sowieso immer, warum sich also bemühen).
  • Positive Selbstsuggestion
    Das ist eigentlich eine Verallgemeinerung des oberen Punktes. Autogenes Training, Neuro-Linguistische-Programmierung (als Therapie umstritten, als Selbstsuggestion vermutlich brauchbar) und andere Techniken können (hoffentlich) Einfluss auf das Unterbewusstsein nehmen, damit die beiden das Gleiche wollen.
    Ich selbst mache das zumindest im Bezug aufs Bogenschießen allerdings nicht, da ich viel zu viel Respekt (im Sinne von Achtung, nicht von Angst) vor meinem Unterbewusstsein habe und es als Partner ansehe. Nicht als etwas, was man dressieren kann oder sollte.
  • Der Schlüssel für alles: Der Caddy des eigenen Unterbewusstseins sein
    All die oben genannten Dinge laufen darauf hinaus, zu lernen, dass man das Bogenschießen besser seinem Unterbewusstsein überlässt. Alles was man (bewusst) tut, soll dem eigentlichen Bogenschützen, dem inneren Robin, dabei helfen, seinen Job zu machen. Man ist ein Team und der Star im Team ist Robin. Das Bewusste Ich ist der Caddy und der Golfspieler ist das Unterbewusste in einem.

Schlusswort

Ganz bewusst, versuche ich mich die ganze Zeit so auszudrücken, dass klar wird, das da etwas in einem steckt, was man nicht bewusst kontrollieren kann. Ich formuliere im Text sogar oft so, dass ich eine Trennung von meiner Person und meinem Unterbewusstsein unterstelle. Letztlich kann natürlich das eine nicht ohne das andere sein, daher würde das keinen Sinn machen. Aber ich versuche damit klar zu machen, dass man nur ein guter (instinktiver) Bogenschütze wird, wenn einem diese unbewusste Seite nicht nur wirklich klar wird und sie akzeptiert, sondern vor allem, wenn man lernt (und auch den Mut aufbringt) die Kontrolle für wenige Augenblicke abzugeben und das Bogenschießen seiner besseren Hälfte überlässt – und damit ist diesmal der innere Lebenspartner gemeint.

Aber es kann natürlich auch sein, dass ich einfach nur eine gespaltene Persönlichkeit habe. Sei’s drum: Funktioniert!

Wie bereits zu Beginn erwähnt, kann man das Bogenschießen auf vielfache Weise betrachten und praktizieren. Ob als Spezialist auf dem Bogenplatz oder in jeder Situation als Generalist. Ein Richtig oder Falsch gibt es da trotz meines bösen Exkurses nicht.

Trotzdem hoffe ich, das der Text dazu ermuntert, beim Bogenschießen mehr in sich hinein zu hören und genau zu beobachten was passiert. Auch das Mentale Training ist nicht zu unterschätzen. Das ist für jede Form des Bogenschießens eine wichtige und nützliche Sache. Und hilft einem sogar außerhalb des Bogenplatzes im sogenannten „Leben“ hier und da weiter. Man kann wohl begründet sogar sagen, dass man nur glücklich sein kann, wenn das eigene Unterbewusste und das eigene Ich die gleichen Hobbys haben (notwendige aber nicht hinreichende Bedingung).

In diesem Sinne hoffe ich das beste!